Insbesondere gesellschaftsrechtlich erfolgt die Diskussion überwiegend unter dem Begriff der inkongruenten bzw. disquotalen Gewinnverteilung. Die inkongruente Gewinnverwendung, die systematisch eine Stufe vor der Gewinnverteilung liegt, wird hingegen eher stiefmütterlich behandelt. Durch Urteil des BFH vom 28.9.2021 (VIII R 25/19) mag die Diskussion um die inkongruente Gewinnverwendung durch Einstellung anteiliger Gewinne in gesellschafterbezogene Gewinnrücklagen neue Fahrt aufnehmen. In Bezug auf die disquotale Gewinnverteilung sind aber in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung ebenfalls weitere Pflöcke eingeschlagen worden (zuletzt durch Urteil des BFH vom 28.9.2022, VIII R 20/20, GmbHR 2023, 127 m. Anm. Obser, im Anschluss an das im Beitrag behandelte Urteil des FG Münster vom 6.5.2020, 9 K 3359/18 E,AO). Auch wenn die letzte explizite Stellungnahme der Finanzverwaltung in Form eines BMF-Schreibens aus dem Jahr 2013 datiert und somit noch keine endgültige Rechtssicherheit besteht,* eröffnet die Rechtsprechung doch Gestaltungs- und Handlungsspielräume und es bleibt zu hoffen, dass die Finanzverwaltung der mittlerweile ständigen Rechtsprechung zumindest im weiteren Sinne in näherer Zukunft folgen wird.
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* Update I: Mit neuem BMF-Schreiben vom 4.9.2024 "Steuerliche Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungen" (IV C 2 - S 2742/19/10004 :003, BStBl. I 2024, 1246) folgt die Finanzverwaltung nunmehr der Rechtsprechung des BFH in den o.g. Urteilen, so beispielsweise mit der zu begrüßenden grundlegenden Aussage - im Anschluss an BFH VIII R 25/19 (BStBl. II 2024, 688) und VIII R 20/20 (BStBl. II 2024, 697) - "Inkongruente Gewinnausschüttungen sind steuerrechtlich grundsätzlich anzuerkennen, wenn sie zivilrechtlich wirksam sind" (Rn. 1).
Update II: Der für Erbschaft- und Schenkungsteuer zuständige II. Senat beim BFH hat mit Urteil vom 19.06.2024 (II R 40/21) bestätigt, dass die Gesellschafter einer GmbH beschleßen können, dass eine gesellschafterbezogene Kapitalrücklage gebildet wird, um damit eine Schenkung des disquotal einlegenden Gesellschafters an die Mitgesellschafter zu vermeiden (für Gewinnrücklagen gilt u.E. Entsprechendes). Voraussetzung ist auch in diesem Zusammenhang, dass der Gesellschafterbeschluss zivilrechtlich wirksam ist. Im Urteilsfall enthielt die Satzung eine Öffnungsklausel, wonach eine disquotale Zuweisung und Auflösung von Kapitalrücklagen beschlossen werden konnte. Dass der Gesellschafterbeschluss entgegen der Satzungsregelung, wonach auch Nebenabreden der notariellen Beurkundung bedurften, nicht notariell beurkundet wurde, war - sofern im Urteilsfall überhaupt relevant - unter Verweis auf BGH vom 16.07.2024 (II ZR 71/23) jedenfalls unschädlich, da ein satzungsmäßiges Formerfordernis nicht die Nichtigkeit, sondern lediglich die Anfechtbarkeit des Beschlusses zur Folge hat. Die Anfechtung war im Urteilsfall aber ausgeschlossen, da sämtliche Gesellschafter dem Beschluss zugestimmt hatten.